Chinhydron (engl. quinhydrone) ist ein 1:1-Molekülkomplex aus Hydrochinon (1,4-Dihydroxybenzol) und Chinon (1,4-Benzochinon), der z.B. beim Mischen von wässrigen Lösungen der Komponenten als in der Kälte schwerlösliche Kristallmasse ausfällt (rotbraune Nadeln mit grünem Oberflächenglanz). Es handelt sich um einen π-Komplex, Donor-Akzeptor-Komplex oder charge-transfer-Komplex, in dem die intermolekulare elektronische Wechselwirkung die elektronischen Übergänge beeinflusst, erkennbar an der Farbvertiefung bzw. am UV/VIS-Spektrum.
Da zwischen Hydrochinon und Chinon ein reversibles Redox-Gleichgewicht
besteht, findet die Chinhydron-Elektrode (E0 = +0.6996 V) Verwendung in der
Elektrochemie, z.B. als sekundäres Bezugssystem anstelle der Standardwasserstoffelektrode.
In Lehrbüchern und im Internet (z.B.
in ChemgaPedia)
findet man gelegentlich die oben rechts skizzierte Darstellung, nach der die Ringe direkt übereinander
gestapelt und angeblich zusätzlich über Wasserstoffbrücken miteinander
verknüpft sind. Diese Darstellung steht jedoch zu kristallographischen Messungen (s.u.) und
zu sorgfältigeren theoretischen Überlegungen im Widerspruch.
Eine Kristallstruktur von Chinhydron findet man z.B. unter dem Refcode QUIDON in der
Cambridge Structural Database (CSD, QUIDON.pdb; Details dazu s.u.).
Demnach sind im Kristall die Moleküle gestapelt, aber nicht direkt
übereinander wie Münzen in einer Rolle, sondern planparallel versetzt.
Außerdem liegen die beiden Hydroxygruppen des Hydrochinons in der
Molekülebene, es gibt keine Wasserstoffbrücken zu den
Chinon-Einheiten.
Eine ähnliche Art der Stapelung findet man übrigens in analogen
Donor-Akzeptor-Komplexen (z.B. Anthracen und Pikrinsäure) sowie in
diskotischen Flüssigkristallen.
Durch die Art der Stapelung wird offensichtlich das direkte Aufeinandertreffen der 2pz- bzw. π-Orbitale vermieden (Abstoßung gleichnamiger Ladungen). Hierdurch wird dann aus geometrischen Gründen die Ausbildung von Wasserstoffbrücken zwischen Hydrochinon und Chinon verhindert. Die beteiligten Moleküle müssten hierfür eigentlich auch in derselben Ebene liegen. Ein Herausdrehen der Hydroxygruppen aus der Molekülebene wäre auch elektronisch ungünstig, weil dadurch die mesomere Wechselwirkung der freien Elektronenpaare an den beiden Sauerstoffatomen mit dem π-System des Benzols verhindert werden würde.
An den beteiligten Komponenten sowie am Addukt wurden DFT-Rechnungen duchgeführt (mit deMon). Zunächst wurden Rechnungen unter Verwendung der Koordinaten aus der Kristallstrukturmessung durchgeführt, und zwar für das Addukt sowie für die separierten Komponenten, wobei sich die folgenden Energien ergaben: Hydrochinon -382.319466667 au, Chinon -381.052826564 au, Addukt -763.371197228 au. Demnach ist das Addukt um 0.001096003 (2.9 kJ/mol) instabiler als die Einzelkomponenten. (Nullpunktschwingungsenergien etc. wurden bei den Rechnungen nicht einbezogen.)
Sodann wurden die Geometrien der Einzelkomponenten optimiert; Ergebnis: Hydrochinon -382.353282668 au, Chinon -381.111763856 au. Die berechneten Geometrien wichen merklich von den Messwerten für das Addukt ab.
Ein Versuch, die aus der Kristallstruktur entnommene Struktur
des Addukts mit DFT-Rechnungen zu "optimieren", wurde nach 50 Cyclen
abgebrochen. Wie die obige Abbildung zeigt, wurden die Moleküle
aus der anfangs planparallelen Anordnung herausgedreht
("Geometrieoptimierung" wurde hier nicht erreicht!).
Falls die DFT-Rechnungen angemessen sind, findet in der Gasphase keine energetische Stabilisierung durch die Adduktbildung statt. Im Hinblick auf die Entropie sollte die Adduktbildung erst recht ungünstig sein (laut Rechnung bei 300 K: ΔS [J/(K*mol)] = 475.02 - 343.57 - 320.92 = -189.47). Demnach wäre die Chinhydron-Bildung nur in der festen Phase begünstigt.
REFCODE: QUIDON Authors/Journal Authors: T.Sakurai Journal: Acta Crystallogr. , 19, 320, 1965 Chemical Formula: C6 H6 O2,C6 H4 O2 Name: Quinhydrone Synonym: Source: Melting Point: Colour: Extra Information: Crystal Spacegroup: P-1 (# 2) Cell Parameters: a: 7.652 b: 5.956 c: 6.77 alpha: 107.61 beta: 121.93 gamma: 90.28 volume: 244.349 Reduced Cell Parameters: a: 5.956 b: 6.77 c: 7.04198 alpha: 67.252 beta: 72.7728 gamma: 72.39 volume: 244.349 Other Parameters: Molecular Vol: 244.349 Chemical Units: 2 Z: 1.0 Z': 0.5 Additional Information: From: Habit: Polymorph: triclinic beta Notes: Experimental R-Factor (%): 10.1 Temperature: 295 Density (CCDC): 1.483 Density (author): 0.0 Intensity Meas: 0 Disorder: Extra Information: CCDC Notes:- BKi